- Das Beste der Menschen ist wie Wasser;
- Wasser nützt allen Dingen und wetteifert nicht mit ihnen.
- Es verweilt am Orten, die alle verachten –
- darin kommt es dem Tao nahe.
<Laotse>
Qigong, bzw. das was wir heutzutage unter diesem Begriff verstehen, bildet einen wichtigen Bestandteil der chinesischen Tradition. Seine Grundlagen haben im Wesentlichen die chinesische Philosophie, Kultur, Lebensstil und Entwicklung der traditionellen Heilungsarten geprägt. Über sein Entstehen kursieren weltweit in der Literatur und im Internet viele unterschiedliche Legenden. An jedem Seminar, an dem viele neue Teilnehmer ohne Qigong Erfahrung anwesend sind, erzählt Meister Li Zhi-Chang die folgende Geschichte.
Vor Fünf bis Siebenjahrtausenden, im späten Neolithikum, gab es größere klimatische Umwälzungen auf der Welt. Im zentralen China, auf dem Gebiet, wo heute die Han-Chinesen wohnen, sind für Menschen zu diesem Zeitpunkt sehr ungünstige Lebensbedingungen entstanden. Der Gelbe Fluss trat über die Ufer und hat ihre wichtigsten Lebensgrundlagen vernichtet. Zusätzlich zur großen Überschwemmung sank die Temperatur stark ab. Die Menschen haben ihre Behausungen sowie die Kleidung verloren; sie hatten keine regelmäßigen Mahlzeiten und es fehlten Medikamente. Dadurch wurden sie geschwächt, viele erkrankten und manche sind sogar gestorben. Sie glaubten, dass diese Katastrophe ihnen Himmel und Erde als Strafe für ihr Fehlverhalten gebracht hatten. Da sie sonst keine Hilfe in ihrer schwierigen Lage bekamen, begannen sie demütig Himmel und Erde um Unterstützung anzubeten.
In ihrer verzweifelten Lage haben damals viele Menschen während den Zeremonien gespürt, dass sich in ihrem Körper etwas verändert. Dabei war ein Fluss wahrnehmbar, welcher über den Rücken herauf fließt und wieder auf der vorderen Körperseite herab fließt. Sie beobachteten, dass schwache Menschen durch diese Praxis langsam stärker und kranke Menschen später gesund wurden. Schon damals haben Menschen diese inneren Bewegungen und Fluss als Qi bezeichnet und glaubten, dass mit Qi als Vermittler der Körper, wenn einmal erkrankt ist, wieder mit Hilfe von Himmel und Erde gesund werden kann. So entstand die früheste Form oder Vorläufer des Qigong.
Diese Praxis entwickelte sich später zu einer Übung, die wir den kleinen himmlischen Kreislauf (Xiaozhoutian 小周天) nennen und welche in allen taoistischen Schulen als Basisübung genutzt wird. Sie ist bereits seit fünf Jahrtausenden bekannt. Die Nachfahren haben dann später diese Übungsmethoden systematisiert und theoretisiert. Die erste schriftliche Aufzeichnung ist unter dem Namen Neiye 內業 bekannt und ist etwa im Jahr 350 BCE entstanden. Im Laufe dieser Entwicklung bildete sich ein Kern der „Inneren Bewegungen“ heraus und diente als Grundlage von verschiedenen, später entstandenen Qigong Methoden und Formen. Seit Jahrtausenden wurden diese Übungen in der regierenden Schicht am Kaiserhof, bei den Adligen auf der einen Seite und unter dem Volk auf der anderen Seite betrieben.